Scheinselbstständigkeit vermeiden – die aktuelle Rechtslage 2024
Das Gesetz zur Bekämpfung der Scheinselbstständigkeit sorgt seit Jahren für Unsicherheit bei Freelancern und ihren Auftraggebern. Doch was genau unterscheidet Scheinselbstständige von Selbstständigen und wie können Freiberufler sich vor dem Vorwurf der Scheinselbstständigkeit schützen?
Was ist eine Scheinselbstständigkeit?
Scheinselbstständige sind Selbstständige (z. B. Freelancer), die laut ihres Vertrages eine selbstständige Tätigkeit oder unternehmerische Leistungen für ein Unternehmen erbringen, in der Realität aber mit diesem ein abhängiges, eigentlich sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis pflegen.
Woran erkennt man eine Scheinselbstständigkeit bei Freelancern?
Verschiedene Anhaltspunkte sprechen für eine Scheinselbstständigkeit. Der Freelancer hat im Rahmen seiner Tätigkeit für einen Auftraggeber:
- festgelegte Arbeitszeiten
- Urlaubsanspruch
- feste Prozessintegration
- Pflichten zum Reporting
- Tätigkeit nach Weisung
Weitere Erkennungsmerkmale sind:
- der Gesamtumsatz stammt größtenteils (über 80 %) von einem Auftraggeber
- kein Unternehmensauftritt (zum Beispiel: Visitenkarten, Webseite)
- Freelancer nimmt an Weiterbildungsmaßnahmen des Auftraggebers teil
- Einkommen unterscheidet sich kaum von dem eines Angestellten oder ist niedriger
- Freelancer ist hauptsächlich oder ausschließlich für einen einzigen Auftraggeber tätig
- Freelancer bekommt Arbeitsmittel (wie Laptop, Software, Büromaterial) gestellt
Kriterien einer Selbstständigkeit
Die Bundesgerichte (Bundesarbeitsgericht und Bundessozialgericht) haben Kriterien erarbeitet, anhand derer Freelancer erkennen können, ob sie selbstständig sind:
- Erbringung von Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung.
- Erbringung von vorher definierten Werkleistungen zum Festpreis.
- Bezahlung nach Abnahme des mangelfreien Werkes gegen Rechnung.
- Auftragsbezogenes Angebot in Textform und Annahme des Angebots auf Grundlage eines Vertrages.
- Eigenes Unternehmer- und Haftungsrisiko für die erbrachte Dienstleistung / das erstellte Werk.
- Risiko-Absicherung durch eine Versicherung.
- Eigenständige Preiskalkulation.
- Einstellung von eigenem Personal.
- Ein Honorar, das die Eigenversorgung, inkl. Krankenversicherung und Altersvorsorge gewährleistet.
- Eigene Geschäftsräume.
- Einsatz von Eigenkapital und eigener Arbeitsmittel.
- Freie Gestaltung von Arbeitsorganisation, Arbeitsablauf und Arbeitszeit.
- Keine Abstimmung und Bezahlung von Urlaub.
- Keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
- Eigene Kundenakquisition.
- Eigene Werbung und Auftreten als Selbstständiger in der Geschäftswelt.
Je mehr dieser Kriterien auf einen Freelancer oder Freiberufler zutreffen, umso eher gelten sie als Selbstständige.
Ein weiteres wichtiges Merkmal, anhand dessen Selbstständige auch tatsächlich als Selbstständige eingestuft werden, sind rein geschäftlich genutzte Räumlichkeiten. Hierzu gehören:
- Ein eigenständiges Büro in Alleinnutzung für sich und die eigenen Mitarbeiter
- Eine Bürogemeinschaft
- Ein Arbeitsplatz in einem Co-Working-Space
Wer ist von der Scheinselbstständigkeit betroffen?
Jeder Selbstständige, der Auftragsarbeiten durchführt, kann betroffen sein. Hierzu gehören auch Freelancer, Freiberufler und freie Mitarbeiter. Laut IHK sind am häufigsten Personen folgender Branchen und Berufsbilder betroffen:
- IT-Berater
- Programmierer und Softwareentwicklung
- Spedition, Transport und Kurierfahrer
- Reinigungskräfte
- Grafiker, Designer und Texter
- Lehrkräfte, Coaches und Dozenten
- Medizinische Honorarkräfte
- Baugewerbe und Handwerker
Wer prüft eine Scheinselbstständigkeit?
Ein Verfahren zur Überprüfung auf Scheinselbstständigkeit – das Statusfeststellungsverfahren – kann von verschiedenen Seiten angestoßen werden. Hierzu zählen:
- Auftraggeber
- Auftragnehmer (Freelancer)
- Deutsche Rentenversicherung (DRV)
- Finanzamt
- Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Hauptzollämter
- Sozialversicherung
- Krankenversicherung
- Arbeitsbehörden und Sozialgerichte
Die Prüfung selbst führt die Deutsche Rentenversicherung durch. Diese geht bereits seit vielen Jahren gegen Scheinselbstständigkeit vor. Die Gründe für dieses Vorgehen sind unterschiedlicher Natur.
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Arbeitnehmerschutz
Verschiedene Gesetze zum Thema Arbeitnehmerschutz schützen Selbstständige nicht. So haben Selbstständige beispielsweise keinen gesetzlichen Urlaubsanspruch, kein gesetzliches Mindesthonorar analog dem Mindestlohn und müssen sich um ihre Altersvorsorge und ihre Krankenversicherung eigenständig kümmern. Wird ein vermeintlich Selbstständiger jedoch schlecht bezahlt, kann er keine Vorsorge fürs Alter treffen. Hierfür sollte vorher eine richtige Preiskalkulation durchgeführt werden.
Ist ein Selbstständiger zudem so stark in die Strukturen seines Auftraggebers eingebunden, dass er keine anderen Aufträge annehmen kann, entsteht ein einseitiges Abhängigkeitsverhältnis. Es gibt viele Gründe, die der Gesetzgeber aufführt. Bei allen Punkten geht es um den Schutz der Betroffenen. Auch wenn sich das Gesetz gegen die Scheinselbstständigkeit für viele nach Schikane anfühlt, so dient es dem Schutz von Menschen.
Sozialabgaben
Selbstständige sind in den meisten Fällen nicht dazu verpflichtet, Sozialabgaben zu leisten. Zu diesen Sozialabgaben zählen Einzahlungen in diverse gesetzlichen Sicherungssysteme, wie:
- Arbeitslosenversicherung
- Rentenversicherung
- Krankenversicherung
- Pflegeversicherung
Sowohl der Arbeitgeber- als auch der Arbeitnehmeranteil entfallen bei einer Zusammenarbeit auf selbstständiger Basis. Der Gesetzgeber hat jedoch ein großes Interesse an diesen Zahlungen. Schließlich ist das deutsche Sozialsystem auf diese Zahlungen angewiesen. Insbesondere der Punkt der Sozialabgaben sorgt seit Jahren für Kritik bei verschiedenen Unternehmerverbänden.
So ist der VGSD (Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland e.V.) sehr engagiert bei der Bekämpfung der „Hexenjagd auf Selbstständige und ihre Auftraggeber“. Die Verbände kreiden an, dass die Deutsche Rentenversicherungsanstalt als Nutznießer einer festgestellten Scheinselbstständigkeit keine neutrale Prüfung durchführen kann.
Scheinselbstständigkeit vermeiden – schützen Verträge vor wirklich?
Gut ausgearbeitete und rechtlich geprüfte Verträge sind sehr wichtig. Noch wichtiger ist jedoch, dass sich alle Beteiligten an die Modalitäten dieser Verträge halten. Mögliche Vertragsformen sind:
Lohnen sich Zusatzvereinbarungen?
Viele Auftraggeber möchten sich gegen die Risiken der Scheinselbstständigkeit absichern, indem sie Zusatzvereinbarungen mit dem Auftragnehmer treffen. Ziel dieser Vereinbarungen ist es, eine Scheinselbstständigkeit auszuschließen und sich so beiderseitig gegen Konsequenzen abzusichern.
In den Vereinbarungen wird unter anderem festgelegt, dass der Freelancer maximal 80 Prozent seines Umsatzes bei dem Auftraggeber generiert oder der Auftragnehmer lediglich Gast im Hause des Auftraggebers ist. Die Formulierungen sind sehr vielfältig.
Beispiel für eine solche Zusatzvereinbarung:
„Grundsätzlich sind die von dem Lieferanten / Auftragnehmer gestellten Gäste keine Arbeitnehmer des Lieferanten. Der Lieferant wird prüfen und sicherstellen, dass keine Scheinselbstständigkeit der von XY gestellten Gäste vorliegt. Sollte ein Gast als nicht selbstständig beschäftigt einzustufen sein, hat der Lieferant XY von allen hieraus entstehenden immateriellen und materiellen Nachteilen freizustellen.“
Empfehlung: Sowohl bei den regulären Verträgen als auch bei den Zusatzvereinbarungen gilt: Entscheidend für die Einstufung zur Scheinselbstständigkeit ist die gelebte Zusammenarbeit.
Welche Konsequenzen hat eine Scheinselbstständigkeit?
Die Folgen einer nachgewiesenen abhängigen Beschäftigung können gravierend sein. Sowohl für den Auftraggeber als auch für den Auftragnehmer kann ein solcher Nachweis zu einer hohen finanziellen Belastung in Form von Nachzahlungen führen. Die Konsequenzen der Scheinselbstständigkeit hat in erster Linie der Auftraggeber zu tragen.
Folgen für den Auftraggeber
Der Auftraggeber muss rückwirkend Sozialversicherungsbeiträge mit Zinsen (Arbeitgeber-& Arbeitnehmeranteile) und Lohnsteuer zahlen. Die Verjährungsfrist liegt bei 4 Jahren, bei Vorsatz verlängert sich die Frist auf 30 Jahre. Außerdem entfällt für den Auftraggeber die Berechtigung zur Vorsteuer.
Folgen für den Auftragnehmer
Auch der Auftragnehmer muss Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer nachzahlen – rückwirkend auf die letzten 3 Monate. Gegebenenfalls muss der Freelancer die auf den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer nachzahlen. Zudem verliert er den Status als Selbstständiger – bestenfalls kann er den Arbeitnehmerstatus einklagen und Anspruch auf Kündigungsschutz, Urlaubstage, Lohnfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall etc. erheben.
Sofern noch ein Arbeitsverhältnis besteht, kann der Auftraggeber den Freelancer an den Strafzahlungen beteiligen, indem er ihm das Honorar kürzt. Diesen Anspruch kann er allerdings nur für die nächsten drei Gehaltszahlungen geltend machen. Je nach Länge und Umfang der Scheinselbstständigkeit kommen unterschiedlich hohe Beträge zustande.
Natürlich hat diese Thematik auch marktwirtschaftliche Auswirkungen. Um das Risiko der Strafzahlungen für vermeintlich Selbstständige zu umgehen, meiden viele Unternehmen bereits die Arbeit mit Freelancern. Einige Betroffene bewegt diese politische Regelung sogar dazu, ihre Zelte im Ausland aufzuschlagen.
Wie wird ein Statusfeststellungsverfahren angestoßen?
Freelancer können eine Überprüfung bei der Clearingstelle selbst beantragen. Diese Überprüfung wird offiziell als Statusfeststellungsverfahren bezeichnet. Die Deutsche Rentenversicherung kommt im ersten Schritt häufig zu der Erkenntnis, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Erst bei einer zweiten oder dritten Überprüfung wird eine Selbstständigkeit festgestellt. Abhängig von dem Ziel, dass Freelancer mit dem Statusfeststellungsverfahren erreichen möchten, lohnt es sich daher, Widerspruch gegen eine abhängige Beschäftigung einzulegen, um die eigene Selbstständigkeit zu wahren.
Eine andere Möglichkeit zur eigenständigen Statusüberprüfung ist das Aufsuchen eines Fachanwaltes. Dieser kann anhand der Vertragslage und der Arbeitsgestaltung hilfreiche Hinweise geben. So können sowohl Freelancer als auch Auftraggeber vorbeugend aktiv werden. Generell wird Freelancern aber häufig, beispielsweise von der
Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (BAGSV), davon abgeraten, ein solches Verfahren ohne triftigen Grund selbst einzuleiten.
Was kostet ein Statusfeststellungsverfahren?
Das Verfahren selbst ist kostenfrei. Eventuell anfallende Anwalts- und Gerichtskosten müssen vom Freelancer und/oder dem Auftraggeber gezahlt werden. Wenn Selbstständige von sich aus proaktiv ein Statusfeststellungsverfahren anstreben, empfehlen wir, sich im Vorfeld rechtlich beraten zu lassen. Sollte eine Scheinselbstständigkeit festgestellt werden, hat dies entsprechende Folgen:
- Die steuerrechtliche Situation der selbstständigen Tätigkeit muss sortiert werden
- anschließend sind Auftragnehmer und Auftraggeber verpflichtet, alle Sozialversicherungs- und Lohnsteuerbeiträge nachzuzahlen
Sofern Freelancer das möchten, können sie vor dem Arbeitsgericht ihren Arbeitnehmerstatus einklagen. Haben diese mit der Klage Erfolg, erhalten sie bei ihrem Auftraggeber den Status eines Angestellten. Dadurch genießen (ehemalige) Freelancer Kündigungsschutzzeiten, haben Anspruch auf Krankentagegeld, Urlaub und, je nach Dauer des Arbeitsverhältnisses, Anspruch auf Abfindungen. Je nach Situation kann eine solche Klage sinnvoll sein.
Wie lang ist die Statusüberprüfung gültig?
Wurde eine Selbstständigkeit bestätigt, so ist diese Bestätigung nicht für immer gültig und auch nicht auf alle Auftraggeber anwendbar. So ist denkbar, dass Freiberufler bei einem Auftraggeber als selbstständig eingestuft werden und bei einem anderen als scheinselbstständig. Daher ist es wichtig, dass sich Selbstständige immer wieder selbst kritisch hinterfragen, ob sie sich bei einem Kunden in einem anstellungsähnlichen Arbeitsverhältnis befinden oder ob sie tatsächlich selbstständig sind.
Urteile zur Scheinselbstständigkeit
Wenn der Freelancer und/oder der Auftraggeber die Einstufung als Scheinselbstständiger anzweifeln, geht der Fall vor Gericht. Folgend sind einige Urteile aus den vergangenen Jahren nachzulesen. In allen aufgeführten Urteilen wurde die abhängige Beschäftigung bestätigt.
Urteil 1
Krankenpfleger können nicht auf selbstständiger Basis arbeiten, weil sie ärztliche Anweisungen befolgen und in die Organisation des Krankenhauses eingebunden sind (Az. S 10 R 3237/15).
Urteil 2
Eine Café-Betreiberin im Landkreis Main-Spessart wurde wegen Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen verurteilt (Amtsgericht Gemünden).
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Hergang:
Von 2008 bis 2012 hatte sie eine scheinselbstständige Bedienung beschäftigt. Die Angeklagte gab vor Gericht an, ihres Wissens nach, habe sie alles richtig gemacht und keine Steuern hinterziehen wollen. Sie hätte die Servicekraft sogar gerne angestellt, diese habe das jedoch nicht gewollt und konnte eine Gewerbeanmeldung und eine Steuernummer vorlegen. Ihr Steuerberater bestätigte ebenfalls, dass alles in Ordnung sei.
Auch die Servicekraft habe nicht mit Problemen gerechnet. Ihr Traum war es, sich als Servicekraft in der Gastronomie selbst etwas aufzubauen:
- Sie meldete ein Gewerbe an
- ließ sich ein Logo erstellen
- stellte stets Rechnungen
- zahlte ihre Versicherungen privat
- arbeitete für mehrere Auftraggeber
Aufgrund einer anonymen Anzeige wurde eine Scheinselbstständigkeit festgestellt, da eine „Eingliederung in den Arbeitsbetrieb“ bestehe. Das Problem: Die Servicekraft war im Dienstplan eingetragen. Außerdem wurde die Servicekraft – wie die Angestellten auch – nach Stunden bezahlt und trug das unternehmerische Risiko nicht selbst. Die Café-Betreiberin wurde zu einer Strafe von 3.600 Euro verurteilt und muss zudem fast 30.000 Euro an Sozialversicherungsbeiträgen und Säumniszuschlägen nachzahlen.
Urteile zur Selbstständigkeit
- Der Landkreis Erlangen-Höchstadt darf selbstständige Freiberufler als Heilpädagogen auf Honorarbasis als Erziehungsbeistand beauftragen. Das ist unter anderen deshalb möglich, weil das Honorar der Heilpädagogen deutlich über dem von Angestellten liegt (Az. L 16 R 1062 / 13).
- Ein ähnliches Urteil wurde auch hier gesprochen: Ebenfalls ein Honorar eines Heilpädagogen lag deutlich über dem Entgelt eines Arbeitnehmers, sodass das Bundessozialgericht entschied, dass es ein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit sei (Az. B 12 R 7/15 R).
- Die Bereitschaftsbetreuung kann auf selbstständiger Basis ausgeübt werden. Auch wenn die Betreuer sich an den Vorgaben des Jugendamtes orientieren, sind sie bei der Gestaltung der Betreuung relativ frei (Az. S 33 R 773/13).
Die genannten Fälle zeigen, wie schwierig die Beurteilung einer Scheinselbstständigkeit sein kann und dass immer mehrere Gesichtspunkte in die Betrachtung einfließen müssen. Aus diesem Grund ist es ungemein wichtig, dass klare Regelungen in Form von Verträgen geschaffen werden, die sowohl Auftraggeber als auch Freelancer entsprechend schützen.
Beispiele: Scheinselbstständigkeit in der Praxis
Beispiel 1
Ein junges Entwicklerteam beschäftigt eine ehemalige Angestellte, die ihre Elternzeit abgeschlossen hat. Sie möchte einige Stunden pro Tag nebenbei für ihre alte Firma arbeiten. Weil sie noch für andere Kunden tätig ist, möchte sie aber gerne als Freelancerin arbeiten.
Nach einem Jahr wächst der Arbeitsumfang und gleicht zunehmend einem Vollzeitjob; für andere Kunden ist sie aus Zeitgründen nicht länger tätig. Nach einer Projektflut nimmt sie sich zwei Wochen Urlaub bei ihrem Auftraggeber. Nach der Rückkehr aus dem Urlaub wird beschlossen, dass sie einen PC im Büro verwenden kann, um ihre Arbeit zu erleichtern.
Hier handelt es sich um einen klassischen Fall der Scheinselbstständigkeit. Diese hat sich nach einer bestimmten Zeit entwickelt und lag nicht von Anfang an vor. Folgendes spricht für die Scheinselbstständigkeit:
- Abhängigkeit von einem Auftraggeber
- Verwendung seiner Betriebsmittel
- Urlaubsanspruch
Beispiel 2
Das Unternehmen eines Projektmanagers musste Insolvenz anmelden. Nach einer längeren Arbeitslosigkeit schlägt ein Betrieb ihm vor, für ihn zu arbeiten. Dem Projektmanager wird angeboten, ein junges, dynamisches Team und dessen Projekte zu betreuen. Der Freelancer ist nicht von zu Hause aus tätig und koordiniert die Projekte online, sondern von dem Büro des Betriebes aus. Dort stehen ihm Betriebsmittel zur Verfügung, Kaffee und andere Verpflegung; auch ein Zugang zum betriebsinternen Fitnessstudio gehört zum Leistungspaket.
Erneut liegt eine persönliche Abhängigkeit vor. Die Anhaltspunkte dafür ähneln jenen aus dem ersten Beispiel. Der Unterschied liegt darin, dass die Scheinselbstständigkeit von Anfang an zu erkennen ist. Beide Seiten hätten feststellen müssen, dass es sich nicht um selbstständiges Arbeiten handelt.
Die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund (ehemals BfA) bietet ein Anfrageverfahren an, das es den Beteiligten ermöglicht, Unklarheiten bezüglich des Status zu klären. Wenn Sie unsicher sind, können Sie sich hier um Rat und Klärung bemühen.
Häufig gestellte Fragen zur Scheinselbstständigkeit
Ist Scheinselbstständigkeit erlaubt
Scheinselbstständigkeit ist natürlich nicht erlaubt. Freelancer, die scheinselbstständig sind, haben einen finanziellen Vorteil gegenüber tatsächlichen Angestellten – und das gilt auch für ihre Auftraggeber.
Ab wann liegt Scheinselbstständigkeit vor?
Ab jenem Zeitpunkt, ab dem erkennbar ist, dass der Freelancer nicht selbstständig oder freiberuflich tätig ist, sondern von einem Auftraggeber abhängt und die Zusammenarbeit einem Angestelltenverhältnis entspricht.
Welche Folgen hat die Scheinselbstständigkeit?
Freelancer und Auftraggeber sind bei Scheinselbstständigkeit zur Beitragsnachzahlung gezwungen.
Wer prüft die Scheinselbstständigkeit?
Die Deutsche Rentenversicherung prüft im Schnitt alle vier Jahre, ob eine Scheinselbstständigkeit vorliegt.
Wie kann das Risiko minimiert werden?
Freelancer können sich von einem Anwalt, einem Steuerberater sowie der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung beraten lassen. Im Grunde sollten sie es vermeiden, von einem Auftraggeber abhängig zu sein, weshalb eine entsprechende Beratung ohnehin sinnvoll ist.
Was ist die 5/6 Reglung?
Neben den Selbstständigen und Scheinselbstständigen gibt es noch die arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen. Diese beziehen mehr als 5⁄6 Ihres Umsatzes von einem Auftraggeber. Im Falle einer arbeitnehmerähnlichen Selbstständigkeit ist der Freelancer rentenversicherungspflichtig. Wird diese Rentenversicherungspflicht bei einem Statusfeststellungsverfahren festgestellt, so muss der Selbstständige für das laufende und für die letzten vier Jahre die Rentenversicherungsbeiträge, zuzüglich 12 % Zinsen p. a., an die Rentenversicherungsanstalt nachzahlen.