Welchen Stundensatz können Freelancer verlangen?
Diese Frage stellt sich vermutlich jeder, der sich selbstständig machen möchte. Doch weshalb ist diese Frage so schwer zu beantworten? Es gilt einen angemessenen Preis zu finden, der weder potenzielle Kunden abschreckt, noch den eigenen Wert unterschätzt. Dieser Beitrag klärt auf, wie Freelancer ihren Stundensatz realistisch berechnen können, welche Faktoren bei der Kalkulation zu beachten sind und stellt hilfreiche Tools vor.
Was verdient ein Freelancer
Die wichtigste aller Fragen erst einmal vorweg: Was verdient ein Freelancer eigentlich? Der durchschnittliche Stundensatz eines Freelancers beträgt 102 Euro. (Stand 2024) Mit diesen Werten kann ein Tagessatz (auf acht Arbeitsstunden gerechnet) von etwa 816 Euro ermittelt werden. Umfragen aus unserem Freelancer-Kompass zeigen, dass Freiberufler aus dem D-A-CH-Raum ein Jahreseinkommen von etwa 62.948 Euro netto (Umsatzsteuer ausgeschlossen) erhalten.
Land | Ø-Stundensatz |
Deutschland | 100 € |
Österreich | 103 € |
Schweiz | 136 € |
D-A-CH | 102 € |
Kostenloser Stundensatzrechner
Einflussfaktoren
Mehr Umsatz?
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Wer sich über die üblichen Honorare informiert und sich mit anderen Freelancern (also der Konkurrenz) vergleicht, sollte beachten, dass sich weitere Faktoren, wie Alter, Arbeitsort, Bildungsabschluss oder auch Berufserfahrung auf dem von ihnen veranschlagten Preis pro Stunde auswirken.
Beispiel: Freelancer mit einem höherem Bildungsabschluss können einen höheren Stundensatz verlangen. So verdient beispielsweise ein Selbstständiger mit einem Hauptschulabschluss durchschnittlich 88 Euro und freie Experten mit Abitur 95 Euro pro Stunde. Freischaffende mit einem Master kommen auf einen Stundensatz von 109 Euro.
Bildungsabschluss | Stundensatz |
Hauptschulabschluss | 88 Euro |
Mittlere Reife | 95 Euro |
Abitur | 95 Euro |
Berufsausbildung | 96 Euro |
Kein Abschluss | 96 Euro |
Bachelor | 97 Euro |
Sonstiges (z. B. Diplom & Fachwirt) | 102 Euro |
Promotion | 108 Euro |
Master | 109 Euro |
Branchenübliche Stundensätze
Bei der Marktanalyse und Kalkulation macht es Sinn, die Stundensätze anderer Freelancer aus dem gleichen Fachbereich zu kennen. Durchschnitts-Stundensätze aus der Praxis finden sich beispielsweise im Freelancer-Verzeichnis von freelancermap:
SAP | Beratung, Management | IT | Entwicklung | Ingenieurwesen | Medien |
99 € | 93 € | 91 € | 87 € | 82 € | 69 € |
Wie wird der Stundensatz berechnet?
Um eine gute Verhandlungsposition gegenüber dem Kunden einnehmen zu können, sollten Freelancer strukturiert vorgehen. Die Berechnung muss alle monatlichen Kosten beinhalten – mit Trennung von privaten (z. B. Kleidung, Lebensmittel) Ausgaben und Betriebskosten, wie:
- Miete für Büroräume
- Arbeitsmaterialien
- Reisekosten
- usw.
Nicht am Gehalt von Angestellten orientieren
Bei der Berechnung eines angemessenen Honorars sollte davon absehen werden, sich an dem ehemaligen Gehalt zu orientieren, denn im Angestelltenverhältnis fallen andere Kosten als in der Selbstständigkeit an. Bei Unsicherheiten können sich Freiberufler bei Berufsverbänden der betreffenden Branche nach regulären Stundensätzen erkundigen.
Im folgenden Beispiel wurden als Grundlage der Stundensatz-Kalkulation Durchschnittswerte aus aktuellen Reporten und Studien zuverlässiger Quellen herangezogen.
Schritt 1: Auflistung der Arbeitstage
Wie wird der Stundensatz nun eigentlich berechnet? Im ersten Schritt müssen die jährlichen Arbeitstage aufgelistet werden. Auch wenn Selbstständige anfangs oft das Wochenende durcharbeiten, sollte das keine Normalität werden. Um die Arbeitstage und folglich einen angemessenen Stundensatz zu berechnen, müssen pauschale Krankheitstage, Tage für Weiterbildung und auch für Urlaub eingeplant werden. Da die Anzahl dieser Tage schwanken kann, gilt hier: Besser zu viele Ausfälle einbeziehen als zu wenige.
pro Jahr | Ø Anzahl Tage |
Kalendertage | 365 |
Wochenenden | –104 |
Feiertage | –13 |
Urlaubstage | –27 |
Krankheitstage* | –15 |
Arbeitstage gesamt | 206 |
Um einen Überblick über das Jahr und die produktiven Tage zu bekommen, empfiehlt es sich, einen Plan aufzustellen. Hierzu notiert man alle Tage des Jahres und zieht die ab, die vermutlich nicht mit der freiberuflichen Tätigkeit verbracht werden: Feiertage, Wochenenden, Tage für Weiterbildung etc. Auch Büroarbeiten, wie das Erledigen der Steuererklärung und Buchhaltung, dürfen Freelancer nicht vernachlässigen: Einnahmen und Ausgaben sollten sie stets im Blick haben
Schritt 2: Weiterbildung einberechnen
Laut einer Freelancer-Studie benötigen Freiberufler durchschnittlich zwei Tage pro Monat, um sich weiterzubilden. Hochgerechnet auf ein Jahr, verbringt ein Freelancer im Schnitt 24 Tage mit Fortbildungen. Die Zeit dafür kann je nach Branche stark schwanken. Während Ingenieure und Berater im Schnitt 1 – 2 Tage pro Monat aufwenden, zeichnet sich in schnelllebigen Bereichen wie den Medien oder der IT-Branche eine Fortbildungszeit von 2 – 3 Tagen pro Monat ab.
pro Jahr | Ø Anzahl Tage |
Weiterbildung | – 24 Tage |
Arbeitstage gesamt | 182 |
Schritt 3: Projektakquise beachten
Die Projektakquise ist die größte Herausforderung für Freelancer. Hierfür investieren freie Experten im Schnitt drei Tage pro Monat. Da in dem Fall mit Pauschalen gerechnet wird, sollten die Ergebnisse als Richtwerte betrachtet werden – Stundensätze müssen individuell erstellt und an Lebenssituationen und Einflussfaktoren angepasst werden. Freelancer, die bereits länger im Geschäft sind und sich ein gutes Netzwerk mit bestehenden Kunden aufgebaut haben, müssen weniger Akquise betreiben als Neulinge.
pro Jahr | Ø Anzahl Tage |
Projektakquise | – 36 Tage |
Arbeitstage gesamt | 146 |
Nach der obigen Berechnung bleiben 146 Tage, also rund 12 Tage pro Monat, um der tatsächlichen Projektarbeit nachzugehen. Zum Verständnis kalkulieren wir folgend einen Stundensatz mit dem durchschnittlichen Netto-Monatseinkommen eines Freelancers im D-A-CH-Raum.
Beispielrechnung:
Ø Netto-Monatsverdienst | 7975 € |
Arbeitstage pro Monat | :12 |
Tagessatz | 665 € |
Stundensatz bei 8 Stunden pro Tag | 83 € |
Schritt 4: Auslastungsquote einkalkulieren
Um keine finanziellen Engpässe in Kauf nehmen zu müssen, ist es ratsam, eine Auslastungsquote in die Berechnung einzubeziehen. Die Ergebnisse des Freelancer-Kompass 2023 zeigen, dass freiberuflich Tätige ca. 17 % der verfügbaren Zeit nicht mit Projekten beschäftigt sind. Diese Prozentzahl muss pauschal dazugerechnet werden, um einen finanziellen Ausgleich zu schaffen.
Stundensatz bei 8 Stunden pro Tag | 83 € |
Auslastungsquote | + 17 % |
Netto-Stundensatz | 97,11 € |
Es empfiehlt sich, den Stundensatzkalkulator zu nutzen – dieser rechnet die Auslastungsquote automatisch mit ein.
Versicherungskosten
Freelancer, die neu im Geschäft sind, stecken oft noch im Angestellten-Denken fest. Was im festen Arbeitsverhältnis der Arbeitgeber anteilig übernommen hat, muss der freie Mitarbeiter nun selbst tragen. Die Sozialversicherung zum Beispiel, besteht aus 5 Säulen. Die Beitragshöhe in der gesetzlichen Versicherung richtet sich bei Selbstständigen prozentual nach den Einkünften:
Prozentsatz | |
KV inkl. Krankengeld | 14,6 % |
KV ermäßigt | 14 % |
Zusatzbeitrag der KV | 0,3 bis 1,8 % |
Pflegeversicherung | 3,05 % |
Pflegeversicherung für Kinderlose | 4* % |
Arbeitslosenversicherung | 2,4 % |
Rentenversicherung | 18,6 % |
Unfallversicherung | frei wählbar |
Lediglich Kranken- & Pflegeversicherung sind für Selbstständige in Deutschland bisher verpflichtend. In alle anderen Versicherungen kann freiwillig eingezahlt werden. Freelancer haben daher zwei Möglichkeiten: Sie können sich entweder freiwillig gesetzlich versichern lassen oder nehmen die private Krankenversicherung in Anspruch. Welches Modell für sie passt, können sie unter anderem mit Hilfe von Online-Tools herausfinden.
Weitere Tipps zum Thema sind in unserem Q & A zu finden: Krankenversicherung für Freelancer.
Mitglieder der Künstlersozialkasse (KSK) haben einen Vorteil: Die gesetzliche Sozialversicherungseinrichtung trägt 50 % der freiwillig gesetzlichen Krankenversicherung und den halben durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz. Künstler oder Publizisten sind ebenfalls über die KSK rentenversichert (Pflicht).
Steuern
Freelancer müssen selbstverständlich auch Steuern abführen. Die Berechnung aus selbstständiger Arbeit ist zwar etwas anders, eines ist jedoch gleich: Je mehr jemand aus freier Arbeit verdient, desto mehr Steuern muss er entrichten. Der Steuerbetrag hängt, sowohl bei der Einkommenssteuer als auch bei der Umsatzsteuer, von den Einnahmen ab und ist sehr individuell. Es empfiehlt sich daher, die monatliche Steuerlast abzuschätzen und genügend Geld zur Seite zu legen, um am Ende des Jahres ausreichend Rücklagen für eventuelle Steuerrückzahlungen auf der Seite liegen zu haben. Doch auch hier gelten Sonderregelungen und Verdienstgrenzen: In unserem Beitrag zum Thema Steuern zahlen: Das sollten Freelancer wissen sind weitere Informationen dazu zu finden.
Das Bundesministerium der Finanzen stellt Selbstständigen einen kostenlosen Steuerrechner zur Verfügung. Hier können Freelancer einfach ihr zu versteuerndes Einkommen angeben und sich die Einkommenssteuer berechnen lassen.
Grobe Kalkulation mit Excel (Vorlage)
Um den individuellen Stundensatz noch einfacher zu berechnen, hilft folgende Vorlage: Einfach Werte einfügen und eine grobe Einschätzung über den Stundensatz erhalten.
Vorlage Stundensatz-Rechner
Aber Achtung: In dieser Berechnung fehlen die Rücklagen und die anfallenden Steuern. Es dient nur zur groben Einschätzung des Stundensatzes, bei der viele wichtige Faktoren ausgelassen werden. Für ein genaueres, detailliertes Ergebnis ist der Stundensatz-Rechner zu empfehlen.
Alternative: Preis pro Projekt festlegen
Laut Freelancer-Studie berechnen 58 Prozent der Freischaffenden ihren Stundensatz für jedes Projekt neu. Das liegt daran, dass nicht jeder Auftrag die gleichen Anforderungen mit sich bringt. Einige Faktoren, die den Preis von Projekten beeinflussen können:
- der Umfang
- die zeitliche Eingrenzung (muss schnell fertig sein oder nimmt einen langen Zeitraum ein)
- Projekt erfordert sehr viel Expertise
- Kunde fordert Reisebereitschaft
- besondere (Sprach-)Kenntnisse sind gefragt
- Projekt muss vor Ort beim Kunden durchgeführt werden
Alle Faktoren und Möglichkeiten sollten bei jeder neuen Verhandlung und Kalkulation berücksichtigt werden. Spätestens zu Beginn eines jeden (Geschäfts-)Jahres sollte der Stundensatz neu berechnet werden. Auch für freie Experten, die zu Beginn der Karriere noch nicht einschätzen können, wie lange sie für die Arbeit brauchen, bietet sich die Abrechnung über Pakete an.
Was ist der Unterschied zwischen Umsatz und Gewinn?
Als Selbstständiger muss bekannt sein, was der Unterschied zwischen Umsatz und Gewinn ist. Deshalb noch einmal kurz erklärt: Der Umsatz beinhaltet alle Einnahmen, die durch Dienstleistungen oder Produkte, innerhalb eines gewissen Zeitraums (zum Beispiel eines Geschäftsjahres), erzielt wurden. Bei der Berechnung des Gewinns werden nicht nur die gesamten Einnahmen herangezogen, sondern auch alle geschäftlichen Ausgaben:
Gewinn = Umsatz minus (alle geschäftlichen) Kosten
Damit nicht nur alle laufenden Kosten gedeckt sind, sondern auch Geld verdient werden kann, sollte der Gewinn bei der Berechnung des Stundensatzes unbedingt mit einbezogen werden. Nur so können Freelancer Rücklagen bilden und ein krisenfestes Business aufbauen, das nachhaltig Bestand hat.
Fazit
Insbesondere zu Beginn der Selbstständigkeit, müssen Freiberufler darauf achten, dass am Ende des Monats nicht nur Kosten gedeckt, sondern auch Gewinne erzielt werden. Zudem müssen Rücklagen fürs Alter gebildet und Steuern abgeführt werden – beides Punkte, die nicht unterschätzt werden sollten. Gleichzeitig müssen vor allem Neustarter Mut zur neuen Aufgabe haben, ihren Wert kennen und lernen zu argumentieren sowie zu verhandeln. All das umfasst eine wunderbare Voraussetzung erfolgreich zu starten.